GP Schwarzwald 2007 (peso)
Geschrieben von peso   
Monday, 17. September 2007

...viele Monate später las ich dann den Terminplan des "GP Schwarzwald". Freitag: BZF an der Geutsche 4,5 km / 7,5%; Sonnabend: Rennen mit 60 km / 1600 hm; Sonntag: Radmarathon: 258 km / 5600 hm. Ha, drei auf einen Streich! Wenn da nur nicht das kleine Problem der 600 Anfahrtskilometer bis Triberg wäre...

...welches mich den Floh schon in den Tiefschlaf schicken ließ, bis unvermittelt Barus mit dem Telephon Floh und Peso wieder hellwach klingelte. "Sag mal, am Sonntag, da habe ich noch nichts vor..."

Also immerhin der Marathon! Das BZF wurde übrigens mit 18,2 km/h im Schnitt gewonnen. Das Rennen beendeten nur ca. 50 von 200 Teilnehmern, weil der Mindestschnitt auf lächerliche 31 km/h festgesetzt worden war.

Zum Pflug

Die erwähnten 600 km später lasen wir ein Schild "Mittlerer Schwarzwald" - der war nur nirgends zu sehen. Viel Wald, deutscher Wohlstandsasphalt, aber kein Berg in Sicht? Ah, die Straße verliert an Höhe, Serpentinen schmiegen sich an den Fels, die ersten Uhrenmanufakturen tauchen auf, der Höhenmeter zeigt bald 650 m und die umliegenden Gipfel langweilen sich 500 m weiter oben pittoresk in der Abendsonne. An Deutschlands höchstem Wasserfall vorbei suchen wir das Kurhaus in Triberg auf, wo wir Wilfried treffen, der uns, freundlich wie der Schwarzwälder nun ist, schon nachgemeldet hat - schließlich gibt es eine Teilnehmerbeschränkung auf 250 Leute. Wir bestaunen das wertvolle Präsent in Gestalt eines Kulturbeutels mit gewichtsoptimierten Badelatschen, denen man sogar anatomisch bequem die Zehenform nachgeschnitten hatte, werfen einen leicht furchtsamen Blick auf die ansteigende Start- und Zielgerade und fahren dann noch ca. 3 km zu unserem Gasthaus.

Dort knurrt uns ein rundlicher Herr hinter dem Tresen schon aus den Augen an, so daß ich mich hinter Barus' Kreuz erst einmal dem vermeintlichen Unbill des Gastwirtes entziehe. Zimmer? Nein, haben wir keins mehr. Wie Reservierung? Friedrich. Hmm, ja, da liegt hier noch ein Schlüssel.

Eine seltsame Art haben die, bis uns gefühlskalten Großstadteremiten nach ein paar Minuten klar wird, daß die Leutchen einfach nur freundlich sind. Keine professionelle, managementbefohlene Freundlichkeit, sondern eine rauh-herzliche Art, welche den Wirt auch versprechen läßt, uns morgen ein "Thermofrühstück" zu bereiten, schließlich werden wir 06:30 schon auf dem Weg zum Start sein. Wir versuchen uns noch den Schalter für das richtige Licht im Sicherungskasten zu merken, nicken artig, als man uns aufträgt, den Schlüssel dann in den Briefkasten zu werfen und besiegeln den Abend mit Handschlag und 60 Euro.

Im Schwarzwald

Nachdem ich Barus noch ein paar Brotscheiben vor der Nase wegfuttern konnte, wir unsere Räder sorgfältig verschraubt und meinem Hinterreifen noch einen neuen Latexschlauch verpaßt hatten, standen wir auch schon am Start des Marathons. Lange gezögert wurde nicht, gleich mal 30x19 aufgelegt und zur Spitze gesprintet. 250 hm hatten die Streckenplaner an den Anfang des Vergnügens gehäuft. Schön in engen Kurven, nicht allzu steil. 4 km mit 6% im Schnitt und 11% maximal flog Barus hinauf, sah irgendwann in einer Rechtskkurve einen bemitleidenswerten Radler über seinem kopfüber geparkten Gefährt stehen und wild eine Luftpumpe schwingen. Genau. Peso hatte es erwischt. Nach 3 km entwich schon die Luft aus der grünen Latexröhre. So schlagartig wie die Luft verließ mich auch jegliche Ambition auf eine ansprechende Zielzeit. Die lange Anfahrt bis zum Kandel wollte ich doch unbedingt noch in der Spitzengruppe mitschwimmen...

Wieder auf dem Rad überkam mich dann so überraschend wie angenehm eine Welle armstrongscher Verbissenheit. Bis zum Gipfel des Kandel fährst du voll! Dann schauen wir mal, wo wir uns befinden. Also säure ich meine Milch schon etwas an und sammle auf den verbleibenden 100 hm die Nachhut des Feldes ein, drücke kleine Wellen auf dem 53er-Blatt durch und riskiere eine ganze Menge auf der schnellen Abfahrt. Vor mir rauschen zwei Grüppchen ins Blickfeld, am ersten bin ich in < 2 sek vorbei, das zweite suche ich mir als meinen Schlafwagen zum Kandl aus. Große Kerle, 2fach-Garnitur - da habe ich vielleicht doch ein paar Flachlandtiere aufgabeln können? Pustekuchen. Ein Mitleidiger führt ab und an mal mit, das meiste muß ich selbst machen. Trotzdem können wir auf an eine weitere Gruppe mit ca. 8 Marathonis auffahren und ich verstecke mich erst einmal für ein paar Minuten in den hinteren Positionen. Mit 40-45 km/h zieht es sich schön flüssig bis Waldkirch.

Kandel

Hinter dem Abzweig zum Kandel steigt es erst mäßig für 5% auf einem Kilometer, bevor es an der ehemaligen Kreislaufklinik sehr steil wird. 11 km mit 8,2 % (Zum Vergleich: Alpe d`Huez hat 7,7% auf 14 km) im Schnitt und 15% Maximal. Sehr unrhythmisch fordert der Kandel seine Bezwinger. 1 km hat > 10%, dann fällt die Steigung auf <6%, um hinter der nächsten Kurve erneut ein Steilstück mit 14% aufzutürmen. Mir ging es blendend. Der Strom überholter Fahrer gibt Mut, im Spinningstil bei 30x24/21 fahre ich voll am Limit. Zu schnell, wenn man noch an die verbleibenden > 200 km denkt, aber Barus möchte ich schon noch bekommen.

Auf etwa 900 m sehe ich dann das Elend vor mir.  Barus, der nach eigenem Bekunden schon keine Lust, dafür aber Knieschmerzen hat, quält sich auf den letzten Kilometern. Erst will ich ihm etwas Gesellschaft leisten, finde aber keine für mich angenehme Trittfrequenz mehr im Ritzelpaket (  ) und fahre dann allein weiter zum Gipfel. Dort treffe ich an der ersten Verpflegung zu meiner Überraschung auch Wilfried von C4Fans und war mit dem Tag schon wieder versöhnt.

Wir warten noch auf Barus, begeben uns in eine herrliche Abfahrt mit grandiosen Ausblicken und stürmen in den 200-hm-Gegenhang nach St. Märgen. Nach einer erneut schnellen Abfahrt bewegt sich eine 10-Mann-Gruppe einigmeraßen zügig in Richtung Schauinsland.

Schauinsland

In der Führung ein MTB. MTB-Fahrer schert aus, Tempo fällt um 3 km/h. Voller Erbarmen hängt sich der Traktor wieder vor das windscheue Würmchen. So geht das (für mich recht angenehm) bis zum Beginn des nächsten Anstiegs. Der Schauinsland bietet 15,8 km mit 5,2%. Die ersten 5 km bleibt es mit 1-3% erträglich steil, das Tempo, was an der Spitze vorgegeben wird, ist allerdings recht mörderisch. Wilfried schaut mich an. Die wissen sicher nicht, was da noch kommt. So? Was kommt denn noch? Na, so 4-5 km mit 9-10%... O ha, also lasse ich die Kette aufs kleine Blatt werfen und kurble halbwegs flüssig bei jetzt schon 4-6%. Bei km 8 beginnt das Steilstück, welches für die nächsten 6 km den Kilometerschnitt nicht mehr < 7,4% fallen läßt. Immer wieder 12-15%-ige Rampen liegen ungeschützt vor dem Auge zwischen den Wiesen und werden von unserem wohlmeinenden Zentralgestirn bekocht. Es ist sehr anstrengend, die Geschwindigkeit nur noch knapp zweistellig, aber die forschen Jungs vom Beginn des Anstiegs kommen wieder näher. Kurz vor dem Gipfel überholen mich noch zwei Freizeitradler und auch der MTB-Fahrer schiebt sich wieder mit seinen Reifen schmatzend an mir vorbei. Also bemühe ich noch einmal das 42er und sprinte zur Bergwertung, an der man die nächste Kontrolle aufgebaut hat. Also wirklich...

Belchen

Die Abfahrt vom Schauinsland ist aus der Gegenrichtung ein gefürchtetes schmales und sehr steiles Sträßchen: der Stohren. Durch den dazu recht schlechten Belag war sie eher kein Genuß. Denselben behinderten auch zwei Kraftfahrschleicher, von denen der eine immerhin auf einem geraden Stück kurz hielt und uns passieren, der andere allerdings nur sinnlos sein Horn tröten ließ, als Wilfried in einer Spitzkehre innen vorbeirauschte. Als auch von unten ein PKW in einer Kuve auftauchte, verzögerte unser "Führungsfahrzeug" so stark, daß ich es vor lauter Schreck etwas zu gut mit meiner Vorderradbremse meinte und sich das Hinterrad schon ein gutes Stück vom Boden hob.

Unvermittel folgte der nächste Anstieg. Von den "Großen Vier" der leichteste. Von 600 m geht es erneut auf > 1000 m, allerdings mit lediglich 5,1% im Schnitt. Im unteren Teil fuhren wir ein sehr moderates Tempo, quatschen munter drauf los, und ich ließ mir von Wilfried "seinen" Schwarzwald zeigen. Etwa dieses Schmankerl, mit welchem man drei Kehren zum Gipfel abkürzen kann - das 23%-Schildchen sollte man dabei aber nicht übersehen. Als uns nach und nach doch einige Fahrer überholen, packt erneut der Ehrgeiz seine Krallen aus und läßt uns bei < 6% abwechelnd in der Führung deutlich an Tempo aufnehmen. Und zum ersten Mal geht es mir nicht besonders gut, ganz oben habe ich Probleme, das Rad von Wilfried zu halten. Die paar Meter sind aber bis zur Abfahrt schnell wieder zugefahren.

Erneut sind wir bergab sehr schnell unterwegs, sammeln hier und in der Anfahrt zum Feldberg ein paar Leutchen ein und blasen mit Rückenwind ins Dach der Tour.

Feldberg

Schon oben am Belchen ärgerten sich schwarze Wolken vor die Sonne und verbreiteten plötzlich Nachmittagsstimmung am Berg. Jetzt, am Fuße des Feldbergs, wird es richtig finster, ein paar einsame Regentropfen fallen mir schon fett ins Auge und hinter dem Horizont kracht es gewaltig. Keine fünf Minuten später fahren wir durch ein veritables Sommergewitter. Ein Segen! Hier unten ist der Feldberg nur mäßig steil und als würde mir der Regen osmotisch Kraft zuführen, jage ich die Autobahn hinauf. Dabei zerlege ich vor lauter Ungeschick die Gruppe, als ich mich kurz umsehe, bin ich schon allein. Beinahe erschrocken halte ich ein und klettere dann gemeinsam mit Wilfried weiter. Es wiederholte sich das Spielchen vom Belchen. Erst kann ich noch gut folgen, dann hänge ich mit starren Blick am Hinterrad in zweiter Position. Wir holen ein Zweigespann ein, das von einer Frau beschlossen wird, bei der ich mich frage, wo zum Teufel hier Kraft bzw. Leistung herkommen. Am Ende fährt mir die Gute auch noch (ein Stückchen, immerhin) davon. Über 4 km im oberen Drittel ist der Feldberg allerdings sehr schwer, dazu nervt der Verkehr auf der gefährlich ausgebauten Fahrbahn.

Auf dem Gipfel wird sich diesmal mit guter Gulaschsuppe verpflegt, einem Schweizer, der mit Urvertrauen in die Werbeversprechen von Continental in den Schwarzwald aufgebrochen war, meine Pumpe geliehen und dann, nach bestimmt 20 Minuten, der letzte Riese des Tages verlassen.

150 km und ca. 3500 hm liegen bereits hinter uns.

Über die Hügel

Was jetzt folgt, läßt sich aus der Erinnerung nur schwer differenzieren. Immer wieder sind es 150 - 200 hm, die mal in giftigen Stichen, mal als langezogenes Bergtal auf das Höhenmeterkonto klettern. Hier folgt jetzt endgültig meine Metmorphose vom Bergfahrer zum Flachlandtier. Am Anstieg habe ich echte Probleme, kann mich nicht mehr zwingen, mich zu quälen. Sobald es bergab geht oder auf flacher Strecke ziehe ich an den Bügeln, daß Jan ganz stolz auf mich wäre. Einem sehr starken Bergfahrer begegnen wir auf 100 km bestimmt fünfmal. Er zieht jeweils am Berg davon und wird dann von uns im Tal mit 45 km/h überrollt, während er mit 25 km/h dahinschleicht. Besonders in den 20 km im Urachtal läuft es phantastisch. Unser Flachlandexpress bekommt dann dauerhaften hanseatischen Zuwachs, mit dem wir auch an schnellen Gruppen zu dritt nur so vorbeifliegen.

Irgendwann bemerkt Wilfried, daß mein Hinterreifen schon einen platten Eindruck mache (Im ersten Moment glaubte ich, es sei von mir persönlich die Rede...) und der Hamburger schloß sich an. Ja, das sei schon die ganze Zeit so. Also hielt ich und befühlte das Elend. Da waren vielleicht noch 2,5 Bar auf dem Reifen. Keine Ahnung, wie lange ich schon so durch die Gegend fuhr. Ich sparte mir kurz vor dem Ziel den Reifenwechsel und pumpe lediglich nach, was mich kaum weniger erschöpfte als der nächste Anstieg.

Die auf der Streckenskizze verzeichnete Schleife kurz vor dem Ziel wurde uns dann doch erspart. Nach Triberg setzten wir uns noch einmal von unserem 6-7-Mann-Grüppchen ab und flogen in Ziel.

Der Garmin verzeichnete 258 km und knapp 4800 hm. Deutlich weniger, als man versprochen hatte. Aber ich war, dieses eine Mal, auch nicht böse. Vor allem, weil wir doch noch deutlich unter 10 h Nettofahrzeit blieben.

Fazit

Die dumme Panne und mein viel zu schneller Ritt am Kandel hatten mir den Marathon sehr schwer gemacht. Am Ende war ich völlig erledigt, obwohl ich sicher genug gegessen und getrunken hatte.

Um den Reiz der Streckenführung vergleichen zu können, muß ich schon das Allgäu aus der Erinnerung kramen. Bis auf die Autobahn zum Feldberg hätte die Zunge viel zum frohlockenden Schnalzen gehabt, wenn sie nicht am vertrockneten Gaumen geklebt hätte. 39 EUR (+ 10 EUR Nachmeldung) ist die Veranstaltung auf jeden Fall wert. Ob es auch die 600 km Anfahrt sind, muß jeder persönlich mit ein paar Gläsern Wodka ausmachen

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Tour in der Streckendatenbank 

 

Letzte Aktualisierung ( Wednesday, 26. September 2007 )